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PS-Hexer Mario Illien über E-Fuels

«Ich habe kein Problem mit dem Elektroantrieb, aber…»

29. Dezember 2022 agvs-upsa.ch – Mit E-Fuels wären in kurzer Zeit ganze Fahrzeugflotten mit einer CO2-Reduktion von 85% unterwegs, längerfristig sogar die weltweit 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor. «Die Technologie ist bekannt und anwendbar», sagt der legendäre Schweizer Motorenkonstrukteur Mario Illien. Er ist überzeugt, dass bereits in wenigen Jahren genügend grosse Mengen an E-Fuels verfügbar sein können – falls endlich Planungssicherheit besteht.

inhaltsbild_mario_illien_inhaltsbild_920x540px.jpg«Sobald eine Planungssicherheit besteht und die Investitionen fliessen, glaube ich, dass in vier bis fünf Jahren grosse Mengen an E-Fuels verfügbar sein können»: Mario Illien, Ingenieur, Gründer und Mitbesitzer von Ilmor. Foto: AGVS-Medien


kro. Herr Illien, was genau ist Ihre Motivation, sich für das Thema E-Fuels zu engagieren? Mehr als einfach nur Nostalgie, oder?
Mario Illien, Ingenieur, Gründer und Mitbesitzer von Ilmor: Meine Motivation ist, die bestehenden grossen CO2-Verursacher anzugehen, um schnell und effizient eine wesentliche CO2-Reduktion zu erzielen. Mit E-Fuels, also synthetisch hergestelltem Diesel Heizöl, Kerosin oder Benzin könnten in relativ kurzer Zeit bestehende Flotten und Einrichtungen weiter betrieben und genutzt werden. Besonders in den Wintermonaten sind saubere und speicherbare Energieträger wichtig für unsere Versorgung. Auch die heute global etwa 1.4 Milliarden grosse Fahrzeugflotte mit Verbrennungsmotoren könnten innerhalb einer nützlichen Frist dekarbonisiert werden.

Obschon praxistauglich und bereits produziert, fristen E-Fuels nach wie vor ein Schattendasein. Warum glauben Sie, ist das so?
Vor allem die Planungsunsicherheit, fehlende Verlässlichkeit der Politik und die ständigen Änderungen der Gesetzgebung halten die grossen Investitionen für die notwendigen Produktionseinrichtungen dieser synthetischen Energieträger zurück. Die Technologie selbst ist längst bekannt – und anwendbar.

Mindestens einen «Schönheitsfehler» haben E-Fuels: Die Partikelemissionen beim Verbrennen von E-Fuels sind zwar deutlich niedriger als bei einem herkömmlichen, mit E10 betankten Auto, aber die Stickoxydwerte sind auf demselben Niveau wie bei einem herkömmlichen Benziner. Und die Kohlenstoffmonoxyd-Emissionen verdreifachen sich. Macht das die Argumentation pro E-Fuels schwieriger?
Ich habe auch von Tests gelesen, bei denen die Kohlenmonoxyd-Emissionen um einiges höher waren als bei konventionellen Kraftstoffen. Die hohen Kohlenmonoxyd-Emissionen deuten auf eine unvollständige Verbrennung hin. Jetzt stellt sich die Frage: Was waren die Eigenschaften von diesen speziell für diese Tests hergestellten E-Fuels? Wenn E-Fuels als Benzin in bestehenden Fahrzeugen genutzt werden, muss der Kraftstoff vergleichbare Charakteristiken aufweisen wie konventionelle Kraftstoffe. Die Stickoxyde sind vorhanden, aber mit den heutigen Abgasreinigungsanlagen beherrschbar.

Ein zweiter Schwachpunkt in der Argumentationskette pro E-Fuels ist der im Vergleich zur Elektromotor und der Brennstoffzelle sehr tiefe Wirkungsgrad. Wie argumentieren Sie hier?
Bei der Anwendung von Kraftstoffen ist Effizienz gefragt. Ja, der Elektromotor verfügt über einen hohen Wirkungsgrad. Der ist aber nur ein kleiner Teil eines insgesamt ineffizienten Systems, das die Stromproduktion, die Transformation, den Transport, die Batterie, die Lade- und Entladeverluste, die Leistungselektronik und auch das Gewicht umfasst. Auch die Brennstoffzelle ist auf einen wasserstoffbasierten Energieträger angewiesen und erreicht selbst einen Wirkungsgrad von zirka 40 Prozent. Bei der Elektrolyse entstehen zirka 40 Prozent Verluste und bei der Brennstoffzelle noch einmal 60 Prozent. Also bleiben zirka 24 Prozent für die Nutzung. Sofern die synthetischen Energieträger richtig und sinnvoll eingesetzt werden, sind sie eine wichtige und gute Alternative zum Strom aus der Steckdose.

E-Fuels sind noch nicht marktreif. Wie lange denken Sie, würde es gehen, bis man E-Fuels an der nächsten Tankstelle tanken könnte?
Für die Produktion von E-Fuels ist Wasserstoff notwendig. Dabei gehen bei der Elektrolyse ca. 40 Prozent der elektrischen Energie verloren. Dieser Arbeitsgang sollte aber nur mit erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind in Gegenden dieser Welt durchgeführt werden, wo diese ganz jährlich, konstant und im Überfluss vorhanden sind. Dieser Schritt ist notwendig, egal wie und wo der Wasserstoff weiterverwendet wird. Die Technologie ist vorhanden und vielerorts auch der Wille, zu investieren. Sobald eine Planungssicherheit besteht und die Investitionen fliessen, glaube ich, dass in vier bis fünf Jahren grosse Mengen verfügbar sein können.

«Sobald eine Planungssicherheit besteht und die Investitionen fliessen, glaube ich, dass in vier bis fünf Jahren grosse Mengen an E-Fuels verfügbar sein können».

Mario Illien

Sie sagen, dass wir eine Offenheit gegenüber allen Technologien brauchen, um die von der Politik verordneten Klimaziele überhaupt zu erreichen. Was fällt aus Sicht des Praktikers ausser E-Fuels noch unter «Technologieoffenheit»?
Für verschiedene Einsatzzwecke werden sich unterschiedliche Technologien durchsetzen. Es sollten nicht einzelne Technologien unterstützt und gefördert werden, sondern die Ziele sollten klar definiert sein, damit die Industrie die entsprechenden Lösungen bereitstellen kann. Zurzeit ist es für die Industrie billiger, E-Autos zu produzieren, als keine zu bauen. Also ein völlig falscher Anreiz. In diesem Zusammenhang bräuchte es auch noch ein bisschen Vernunft der Hersteller und der Bevölkerung. Heutzutage sind fast sämtliche Autos zu gross und viel zu schwer. Wer braucht einen 2.5 Tonnen schweren SUV in unseren Breitengraden, um die Kinder zur Schule zu fahren? Eigentlich völliger Unsinn. Thermische Solaranlagen werden in einer Zeit der Elektro-Hysterie zu stark vernachlässigt, könnten aber einen wesentlichen Teil für die Warmwasseraufbereitung, Heizungsunterstützung und Schwimmbadheizungen beitragen.

Sie sagen, moderne Dieselautos seien gesamthaft gesehen nach wie vor sauberer als Elektroautos. Wie begründen Sie das?
Um effizient zu fahren, und davon bin ich nach wie vor überzeugt, müssen serielle leichte Hybridfahrzeuge mit einem kleinen effizienten Verbrenner – Benzin oder Diesel mit synthetischem Kraftstoff – an Bord für die Stromerzeugung und einer kleinen Batterie gebaut werden. Die Gesamteffizienz eines Dieselfahrzeuges ist immer noch besser als Elektroautos mit 600-700 kg Batterien und einem eher schlechten Strommix. In diesem Zusammenhang muss die globale oder europäische Stromproduktion in Betracht gezogen werden. Zudem steuern wir mit der E-Mobilität in eine totale Abhängigkeit von China, die noch wesentlich grösser und gefährlicher ist als unsere Gasabhängigkeit von Russland. Die Menschheit und besonders die Politik scheinen aus der Vergangenheit nichts zu lernen.

Sie stehen einem grundsätzlichen Wechsel hin zu Elektroautos kritisch gegenüber. Warum?
Ich habe kein Problem mit dem Elektroantrieb und es gibt dazu auch innerstädtisch die richtige Anwendung. Aber es macht überhaupt keinen Sinn, Strom mit fossilen Kraftstoffen und einem schlechten Wirkungsgrad zu produzieren und dann den gesamten Verkehr zu elektrifizieren und zudem die Häuser elektrisch zu Heizen. Mir graut beim E-Auto auch von der Abhängigkeit bei den Rohstoffen von einer einzigen Nation. In unseren Breitengraden werden wir nie und nimmer unsere Energiebedürfnisse über das gesamte Jahr mit eigenen erneuerbaren Energien decken können, und besonders dann nicht, wenn mit dem Aus der Kernkraftwerke die noch bestehende Bandenergie abgeschaltet wird.
 

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